
Ein Digitaler Produktpass stellt aktuell eine der wesentlichen digitalen Weiterentwicklungen für die Informationsweitergabe in Lieferketten dar. Bei einem solchen Pass handelt es sich um einen strukturierten Datensatz, der produkt- oder materialbezogene Informationen enthält. Sowohl der Umfang als auch der Inhalt dieser Daten sowie die Zugriffsrechte sind dabei im Voraus definiert.
Ein Beitrag von Holger Berg
Produktpässe werden sowohl „Stammdaten“ wie Herkunft, Zusammensetzung und Inverkehrbringer enthalten, als auch Lebenszyklusdaten bspw. zu Wartungen, Reparaturen oder Son- derereignissen wie Unfälle oder ähnlichem. Der derzeit geplante Umfang des Digitalen Produktpasses umfasst daher auch Informatio- nen zu Nachhaltigkeit und Kreislauffähigkeit sowie zum Werterhalt durch Maßnahmen wie Wiederverwendung, Remanufacturing und Recycling. Der DPP soll damit zum zentralen Informationssystem für die Entwicklung der Circular Economy werden. Seine Haupt- zielgruppen sind Unternehmen, Endkunden sowie Behörden und politische Entscheidungsträger.
Zielsetzung
Die Zielsetzung des digitalen Produktpasses ist vielschichtig. Er soll die Rückverfolgung der Rohstoffgewinnung und -produktion ermöglichen und die Erstellung digitaler Zwillinge fördern. Durch den Produktpass soll zudem der gesamte Lebenslauf eines Produkts verfolgt werden können. Damit kann der Produktpass die Bereitstel- lung von Circular Economy-Dienstleistungen erleichtern, da diese auf weitaus mehr Daten angewiesen sind, als die lineare Wirtschaft. Beispielsweise möchte man bei gebrauchten Produkten über Infor- mationen zu Abnutzung und Ist-Zustand verfügen, für das Recycling sind hingegen Informationen über Zusammensetzung und Störstof- fe wichtig. Liegen solche Daten nicht vor, ist die Kreislaufführung deutlich erschwert.
Eine weitere Zielgruppe sind Marktüberwachungs- und Zollbehörden. Diese sollen einen vereinfachten Zugriff auf Pro- duktinformationen bekommen, idealerweise kann dadurch die Produktsicherheit erhöht werden, Plagiate können besser erkannt werden und Verwaltungsprozesse vereinfacht und beschleunigt werden. Zudem soll der Digitale Produktpass Bürgerinnen und Bür- gern sowie anderen Endkunden zuverlässige Informationen über Produkte und ihre Eigenschaften liefern, um ihnen nachhaltigere Kaufentscheidungen zu ermöglichen. Nicht zuletzt soll er Behörden und politischen Entscheidungsträgern verlässliche Daten zur Verfü- gung stellen, um fundierte Entscheidungen zur Ermöglichung und Weiterentwicklung einer Circular Economy zu ermöglichen.
Der Digitale Produktpass in der Regulierung – Was ist zu erwarten, welche Branchen sind betroffen
Die Regulierung auf EU-Ebene ist aktuell einer der wesentlichen Treiber des Digitalen Produktpasses. Insbesondere die neue Ökode- sign Verordnung, welche aktuell in einem fortgeschrittenen Entwurf vorliegt und im ersten Halbjahr 2024 verabschiedet werden soll, führt diesen Prozess an. Sie regelt stellvertretend für viele andere kommende Regulierungen die Grundlagen und Zielsetzung der Pro- duktpässe.
Sie beschreibt zudem Anforderungen, die in den digitalen Produktpass aufgenommen werden müssen. Wie oben beschrieben stehen diese vielfach im Zusammenhang mit der Ermöglichung zirkulären Wirtschaftens. Vorgesehene Angaben umfassen Aspek- te wie Langlebigkeit, Zuverlässigkeit, Wiederverwendbarkeit und Upgradability. Ebenso sollen Informationen zu Reparierbarkeit, Wartung und Refurbishment gegeben werden, um sicherzustellen, dass Produkte im Falle von Defekten leicht repariert und instand- gehalten werden können. Die vorgenannten Angaben sollen es ermöglichen, die Lebensdauer von Produkten zu verlängern und ihren Wert über die Zeit zu erhalten.
Die Verordnung bezieht auc die Bedeutung der Vermeidung von und den Umgang mit Schadstoffen ein, indem sie die Inte- gration von Informationen zu Substances of Concern in den Pass einschließt. Darüber hinaus sollen der Energieverbrauch und die Energieeffizienz der Produkte adressiert werden und auch Anga- ben zu Ressourcenverbrauch und -effizienz sollen ebenso wie die Verwendung von recycelten Materialien dokumentiert werden. Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft Informationen über Möglichkeiten des Remanufacturing von Produkten sowie zur Recyclierbarkeit der verwendeten Materialien und der mit einem Produkt verbundenen Abfallgenerierung.
Branchen werden nach dieser Verordnung einzeln durch sogenannte delegierte Rechtsakte näher reguliert. Erste Rechtsakte werden noch für 2024 bzw. Anfang 2025 erwartet und die Branchen Textil sowie Stahl betreffen. Die Einführung der Produktpässe muss dann voraussichtlich 42 Monate später, also 2027 bzw. 2028 erfolgen.
Der Ökodesignverordnung zeitlich voraus aber weniger allgemein ist die Batterieverordnung. Diese ist bereits seit Sommer 2023 in Kraft und sieht die Einführung eines Digitalen Produktpasses für spezifische Batteriearten bereits ab Februar 2027 vor. Entspre- chend wurde hier schon genauer geregelt, welche Informationen enthalten sein sollen. Zu diesen gehören allgemeine Batterie- und Herstellerinformationen und ebenso Angaben zur Konformität, Kennzeichnungen und Zertifizierungen, um sicherzustellen, dass die Batterien geltenden Standards und Vorschriften entsprechen. Der CO2-Fußabdruck von Batterien soll ein weiterer Bestandteil des Passes werden, gleiches gilt für die Einhaltung der Sorgfalts- pflicht in der Lieferkette, um zu dokumentieren, ob Batterien unter ethischen und umweltfreundlichen Bedingungen hergestellt werden. Informationen über Batteriematerialien und Zusammensetzung sind ebenfalls gefordert. Wie dargestellt sind diese insbesondere für das Recycling relevant. Auch weitere für Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz zentrale Aspekte wie Gebrauchsdaten sind vor- zuhalten. Schließlich werden in diesem Zusammenhang Angaben zur Leistung und Haltbarkeit erfasst.
Für zahlreiche weitere Branchen werden in den nächsten Jahren zudem Digitale Produktpässe über weitere Regulierungen zu einer Verpflichtung. Dies wird beispielsweise Spielzeuge, Automobile und viele chemische Produkte betreffen.
Der Digitale Produktpass in der Beschaffung – mehr Transparenz und mehr Chancen für das Green Procurement
Der Digitale Produktpass könnte eine gro0e Chance dartsellen, eine grünere Beschaffung entscheidend voranzubringen. Für Unter- nehmen, die ihre Beschaffung umweltfreundlicher und ggf. auch sozial nachhaltiger gestalten wollen, sollten vor allem Transparenz und Vergleichbarkeit deutlich gesteigert werden. Damit können Kaufentscheidungen auf eine sicherere und dokumentierbarere Basis gestellt werden. Gleichzeitig können auch den Kunden produktrele- vante Informationen leichter zugänglich gemacht werden.
Für Behörden, die u.a. durch spezifische Regulierungen wie dem Kreislaufwirtschaftsgesetz zu einer nachhaltigkeitsorientierten Beschaffung verpflichtet sind, sollte dies aus genannten Gründen durch die Produktpässe auch vereinfacht möglich sein. So lassen sich aufgrund der im Pass vorgegebenen Inhalte ggf. Ausschreibungen in Zukunft leichter ausrichten und Produkteigenschaften von Angebo- ten besser bewerten.
Einschränkend ist an dieser Stelle noch zu bemerken, dass in der Entwicklung der Digitalen Produktpässe vieles noch nicht abschließend geregelt ist. Sowohl Regulierungs- als auch Standar- disierungsprozesse sind noch in vollem Gange. Es lohnt sich also, ihren Fortgang zu beobachten um ihre Chancen nutzen zu können.